Sicht von meiner 'alten' Behausung
Seit einigen Tagen liegt unaufhoerliches Motorsaegen geknatter in der Luft. Welche Strasse man auch nimmt, die Raender sind gesaeumt von entwurzelten Baeumen, kleinen neu entsprungenen Seen und Baechen.
Eine Woche lang war das Leben an der Westkueste Suedindiens gelaehmt und wurde von einem Zyklonen wie durch die Waschmaschine gedreht.
Regen Regen und nochmals Regen, horonzontal, gepeitscht von einem wuetenden Orkan. Waehrend ich den in 2 Metern entfernten, vielleicht 40 meter hohen und maechtigen Baum neben meinem im vergleich winzigen Haeuschen filme, um der Nachwelt eindruecklich festzuhalten, wie der Wind seinen Stamm und mit ihm seine Wurzeln und den dazugehoerigen Boden anhebt und sich im Winde schaukelt, kracht es hinter mir auf der Strasse! Es hat nicht diesen, sondern einen anderen Baum erwischt. Eine Strasse mehr, die unbefahrbar ist und eine Wasserleitung weniger!
Der kleine umgestuerzte Baum
Fuer die Kinder keine Schule und fuer die Eltern bangen um das Haus und Leben. Strassen und Wege verwandeln sich in reissende Fluesse oder sind zu einem beschaulichen See geworden.
Es prasselt, donnert und blitzt und es will nicht aufhoeren. Waehrend es im Dorf schon seit Tagen keinen Strom mehr gibt, sind wir hier im „Gruenen Guertel von Auroville“ von Haus aus auf Solarenergie angewiesen und „zum Glueck“ unabhaengig. Oh Wunder funktionieren die Telefonleitungen im Haus noch, obwohl ich viele Masten abgebrochen oder gestuerzte Baeume die Kabel mit sich gerissen gesehen habe. Jetzt heisst es Strom sparen, was auch immer die Solarzellen hergeben, ist nicht viel bei dem dunklen Himmel. Kerzen sind schon lange in keinem Laden mehr zu finden und so bin ich froh, ueber einen Restbestand meines Vermieters. So koche ich abends bei Kerzenschein und gehe mit einer Taschenlampe zu meinem windigen und feuchten Badezimmers draussen. Alles nur, um noch die letzten Watt fuer meinen laufenden Computer zu sparen.
Brennholz davontragen
So sehen erschoepfte Baueme aus
Morgens ist mein Badezimmer wieder voller Blaetter und die Haushaltshilfe sagt mir einmal mehr, dass die Waesche heute wieder nicht gewaschen werden kann, wo sollte sie auch trocknen? Also aergere ich mich ueber das verwuestete Badezimmer und ueber den nassen Hund, der sich nach einem kurzen aber nassen Spaziergang wieder bei mir ins trockene fleuchtet und sich mitten im noch trockenen Haus erst mal schuetteln will. Eine Ecke im Haus faengt auch langsam an zu tropfen und die Moebel und Kleidung faengt unangenehm an zu riechen…denk ich mir doch so, was fuer ein Scheiss…als ich die Amma (Haushaltshilfe) draussen im Sturm vorbeihuschen sehe, sie traegt eine zurechtgeschnittene Plastiktuete auf dem Kopf und einen durchnaessten Regenmantel am Koerper.
Als sie mir dann von ihrer durchnaessten Huette aus Lehm und Kokusnussdach erzaehlt, komme ich mir einfach laecherlich, mit meinem Problemchen, vor. Als sie dann noch erzaehlt, dass es im Dorf schon seit ein paar Tagen kein Trinkwasser mehr gibt und dass es Lebensmittelverteilungen den anderen Tag gab, sie nachts vor naesse, schreiendem Kind und Angst nicht schlafen kann, wuerde ich sie am liebsten direkt samt Familie in mein Haeuschen einziehen lassen.
Davongeschwemmte Wege
Zum Glueck war das nur eine Mauer
Trotzdem kommt sie jeden Morgen puenktlich zur Arbeit, kaempft sich durch den gefaehrlichen Sturm, vorbei an den gefallenen Baeumen, unausgeschlafen und hungrig. Am Hause des Vermieters gibt es naemlich alle Haende voll zu tun und da sie eifrig ist und das Geld braucht, kommt sie auch am Sonntag noch und schafft es nicht einmal sich genuegend Zeit fuer ein Fruehstueck zu nehmen. Sie muss sich um die Pferde kuemmern, das Wasser aus der Abstellkammer schaufeln, damit die auf dem Boden stehenden Batterien unserer Anlage nicht ertrinken, muss die Wege freimachen von Aesten und Blaetter, muss putzen und kochen.
Ich, mit meinem Laptop auf dem Schoss, ein trockenes Haeuschen fuer mich alleine und all dem Luxus, werde mich zwei Tage spaeter, als auch uns das Wasser ausgeht und bei einer Luftfeuchtigkeit von 100% und einer Temperatur von rund 27 Grad einem der Schweiss auch bei der kleinsten Bewegung den Ruecken runter laeuft, – mich nicht mehr beschweren! 🙂
Als sich einige Tage spaeter der Zyklon verabschiedet und landeinwaerts wandert, geht es darum der Schnellste zu sein! Umgestuertse Baeume verwandeln sich ploetzlich in Geldgruben. Wo man auch hingeht, es geht um „timber“ – Bauholz, der relativ kleine Baum, der waehrend meines Videos zu fall ging, ist ploetzlich kein Baum mehr sondern 2-4 Monatsgehaelter eines Doerflers wert.
Kein Telefon mehr...
Rette jeder was er kann, steht den Leuten auf der Stirn. In der Baeckerei hoere ich eine Hollaenderin schimpfen, wie einfältig wir Auslaender uns hier in Auroville benehmen! Es sei doch ganz klar, dass unsere Ammas ab und an Zucker oder Reis bei uns klauen! Was wuerden wir denn tun, wenn unsere Familie etwas zu essen braucht und wir vor den vollen Toepfen unserer Arbeitgeber stehen! Sie schaut mich an und sagt auch mir: „Du, du wuerdest doch das Gleiche tun!“ und ich nicke ihr zustimmend zu. Als dann unweigerlich das Gespraech auf die Baeume zu sprechen kommt, erzaehlt uns die gleiche Dame von ihrem Heldenhaften Einsatz im Kampf gegen die Holzdiebe. „…da habe ich denen gesagt, dass sie diesen Bambus nur gegen meinen Tot nehmen koennen. Ich werde nicht von hier weichen und so lange dagegen kaempfen…!“ So setzt nun mal jeder seine Prioritaeten anders! Aber es geht nur noch ums Holz, wessen Land, wer hat ihn gepflanzt, wer von der Stelle geraeumt oder schlicht und ergreifend, wer hat ihn geklaut?!
Nun ist es wieder trocken und die Sonne scheint, das Aufraeumen geht weiter. Neben den umgefallenen Baeumen am Strassenrand wird alles auf Zäune und Aeste gehaengt, was sich in der Wohnung bewegen laesst und wird getrocknet. Auch ich lasse mich nicht lumpen und raeume und trockne. Dabei finde ich die verschwundenen Tomaten von letzter Woche unter meinem Sofa! Wusstet Ihr, dass Ratten Tomaten und Lakritz lieben? Auf jeden Fall wische ich die riechenden Ueberreste weg und ohhhh no, finde einen Termitengang aus einer mikroskopisch kleinen Hausritze herauswachsen. Schliesslich finde ich noch weitere
Morgens um 10 krachte dieser Baum FAST auf die Arbeitsstaette. "Der kleine Tempel daneben hat wohl gute Arbeit geleistet!"
Lehmgaenge und rufe meinen Vermieter. Die naechsten Stunden verbringen wir, Vermieter, Vermiterin, eine Amma und ich damit alle Moebel und angesammelter Kram von mir von einer in die andere Ecke zu schieben und bewaffnet mit einem Spatel, Kerosin und einem ‚biologischen‘ Insektenvernichtungsmittel ruecken wir den Biestern auf den Pelz. Zurueck bleibt ein totales Chaos und was viel schlimmer ist, ein erbaermlicher Gestank des Kerosines. Ich habe die Nase voll und verbringe den Rast des Tages mit Pelle und ein paar Freunden im Kaffee.